alleinerziehend, Familie

Verbale Gewalt nach einer Trennung – Was tun?

Kind zwischen streitenden Eltern.


Du hast dich getrennt, aber euer Streit geht weiter? Was kannst du tun, wenn dein Expartner oder deine Expartnerin nach einer Trennung verbale Gewalt gegen dich ausübt? Was ist überhaupt verbale Gewalt?

Gewalt sind nicht nur Schläge

Bei Gewalt denken viele erst einmal an Schläge oder sonstige Handgreiflichkeiten. Aber auch Worte können gewalttätig sein. Anders als bei einem „normalen“ Streit geht es dem Aggressor darum, Macht auszuüben, oder diese – gefühlt – wiederzuerlangen, indem die andere Person beleidigt, als unglaubwürdig dargestellt (Gaslighting) oder anderweitig in ihrem Selbstwert beschädigt werden soll.

Das Ganze kann in ruhigem Tonfall geschehen, kann aber auch lautes Anschreien beinhalten. In jedem Fall ist die Wortwahl übergriffig, die eigene Perspektive wird als die einzig richtige dargestellt, die andere Sichtweise in Frage gestellt, eine Lösung zu finden ist offensichtlich nicht das Ziel, statt dessen werden Tatsachen gegebenenfalls komplett ausgeblendet oder verdreht, um den eigenen Standpunkt zu „belegen“. 

Beispiele verbaler Gewalt:

  • „Ich habe die Kinder ja die Hälfte der Zeit, daher muss ich dir eigentlich keinen Unterhalt zahlen.“ (In Wirklichkeit sind die gemeinsamen Kinder zwei von sieben Wochentagen beim anderen Elternteil). 
  • „Du übertreibst, du bist gar nicht wirklich krank“ (Ein Elternteil liegt mit Fieber im Bett und bittet darum, dass der andere Elternteil die Kinder betreue).
  • „Jeder, den ich frage, findet dein Verhalten unverschämt!“
  • „Du kannst dich ja auch mal um dein Kind kümmern. Warum soll ich alles machen?“ (Der angegriffene Elternteil übernimmt 80 Prozent der Alltagsorganisation)
  • „Du bist faul/undankbar/berechnend.“
  • „Wenn du dich weiter so verhältst, nehme ich die Kinder gar nicht mehr, bzw. nehme ich dir die Kinder ganz weg. Du wirst sehen, wie ihnen das gefällt!“

Wie auf solche verbalen Attacken reagieren?

Erst einmal wichtig: Zu erkennen, dass es sich hier tatsächlich um GEWALT handelt. Zwar „nur“ mit Worten, aber nichts desto trotz verletzend und auch mit der Absicht eingesetzt, den anderen zu verletzten. Sich erschreckt und angegriffen zu fühlen ist NICHT übertrieben, sondern eine natürliche Reaktion auf dieses Verhalten. „Ratschläge“, wie die, sich zu bemühen, die Sichtweise des anderen zu verstehen oder auf das zu schauen, was gut laufe, sind kontraproduktiv, denn sie bestärken den oder die Gewaltbetroffenen in der Hoffnung, Veränderung beim anderen erreichen zu können oder geben ihm oder ihr sogar Mitschuld am Verhalten des gewalttätigen Elternteils. Das ist aber nicht der Fall!

„Schuld“ an verbaler Gewalt ist derjenige, der sie ausübt. Punkt. Auch ein „schwieriges“ oder selbst angreifendes Verhalten rechtfertigt Gewalt nicht. 

Was du bei verbaler Gewalt tun kannst

Dementsprechend kannst du als Gewaltbetroffene:r eigentlich auch nur eines tun: Dein eigenes Verhalten ändern. In erster Linie steht dabei deine Sicherheit und die deiner Kinder im Fokus. 

  • Geh inhaltlich nicht auf verbale Angriffe ein. 
  • Bestehe darauf, dass sich der Kontakt auf Informationsaustausch beschränkt und dass dieser möglichst schriftlich erfolgen soll. Persönliche Begegnungen, zum Beispiel bei Übergaben, halte so kurz wie möglich, gegebenenfalls in Begleitung oder im öffentlichen Raum. 
  • Hole dir (therapeutische) Hilfe, um deine Verletzungen zu heilen, deinen Selbstwert wieder aufzubauen und dein eigenes Verhalten besser zu verstehen.
  • Verstecke deine Situation nicht. Suche dir mindestens eine Vertrauensperson, die deine Lage kennt und der du im Zweifelsfall von deinen Erfahrungen berichten kannst. 
  • Dokumentierte Übergriffe, zum Beispiel, in dem du Sprachnachrichten speicherst oder Screenshots von Mails oder Textnachrichten erstellst.
  • Informiere bei konkreten Drohungen die Polizei. Anlaufstellen nennt dir zum Beispiel das bundesweite Hilfetelefon für Gewaltopfer. Dieses ist 365 Tage im Jahr rund um die Uhr unter der Nummer 116 016 zu erreichen.

Vor allem aber lass die SCHAM los. Du bist Opfer von Gewalt geworden – oder wirst es noch – auch wenn sie mehr oder weniger unsichtbar und „nur“ mit Worten geschieht. Das ist NICHT deine Schuld. Du und deine Kinder haben jedes Recht, vor dieser Gewalt geschützt zu werden. Suche Menschen, die dich unterstützen. Je weniger abhängig (praktisch und emotional) du vom Aggressor oder der Aggressorin bist, desto weniger Macht hat er oder sie über dich. 

Der Weg aus der Gewalt heraus beginnt bei dir. Erkenne an, dass deine Situation schwierig ist – aber nicht hoffnungslos. Das Verhalten des oder der anderen kannst du nur sehr bedingt beeinflussen. Dein eigenes schon. Fange damit an, dass du deinen Selbstwert stärkst. Du und deine Kinder sind es wert, ein Leben ohne Gewalt zu führen. Und du brauchst diesen Weg nicht alleine zu gehen. Such dir Hilfe. Du bist nicht allein!

Herzlich, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Hilfetelefone bei Gewalt:

  • Bundesweites Hilfetelefon für Gewaltopfer (kostenlos, rund um die Uhr): 116 016
  • Opfertelefon Weißer Ring (Mo-So, 7-22 Uhr): 116 006
  • Nummer gegen Kummer – Elterntelefon (Mo-Fr 9-17 Uhr, Di+Do 9-19 Uhr): 0800 110 550

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[Foto: Pixabay]

4 Gedanken zu „Verbale Gewalt nach einer Trennung – Was tun?“

  1. Danke, dass du dich diesem Thema annimmst! Ich bin selbst betroffen und habe eine Weile gebraucht bis ich erkannt habe, dass mir verbale/psychische Gewalt angetan wird. Es so wichtig, diese zu erkennen. Erst dann kann man lernen, sich abzugrenzen und zu heilen.

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  2. Ein starker Text, und das sage ich als systemische Therapeutin in einer Beratungsstelle bei Trennung und Partnergewalt. 🙌🏼

    Nicht selten führen die beschriebenen Verhaltensweisen auch dazu, den anderen Elternteil regelmäßig (oft wegen Kleinigkeiten) in Gerichtsprozesse zu verstricken und so Macht auszuüben.

    Was besonders perfide ist, wenn dies eine Mutter mit relativ geringem Einkommen betrifft – gerade so viel, dass sie keine staatliche Verfahrenskostenhilfe mehr bekommt, aber zu wenig, um sich wiederholte Gerichtsverfahren leisten zu können. 😢

    Betroffene Mütter sollten sich unbedingt jede Hilfe holen, die es gibt, und sich gut vernetzen, auch mit einem fürsorglichen und stabilisierenden Freund*innenkreis.

    ♥️💪🏾💪🏼💪🏿♥️

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  3. Toller Text! Hilfe kann auch eine Mediation sein z.B. Caritas etc.. Dort kann der Umgang und z.B. eine Vollmacht ausgehandelt werden unter Anleitung. Bei mir wurde auch festgelegt, dass so wenig Kontakt wie möglich stattfinden sollte und ich dafür monatliche Berichte per Mail schreibe über die Kinder und dem Vater schicke. Kann den Gang zum Gericht ersparen und verbale Gewalt wird sofort unterbunden im Gespräch.

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