
„Ich freue mich so auf’s Wochenende. Dann bin ich endlich bei Papa! Und nicht mehr bei dir.“ Autsch – der arglos geäußerte Satz meines Achtjährigen tut ganz schön weh. Klar, ich gönne ihm das Zusammensein mit seinem Papa. Aber muss er das auf diese Weise mit der Zeit bei mir vergleichen? Ich spüre, wie Wut und Trauer in mir hochsteigen.
Dabei: Dass Kinder sich mal Mama, mal Papa näher fühlen – oder sich überhaupt nur auf den anderen Elternteil freuen, wenn sie ihn eine Weile nicht gesehen haben, ist ja ganz normal. Lebt der Vater oder die Mutter nach einer Trennung nicht mehr dauerhaft mit ihnen zusammen, wird er oder sie oft erst recht zum „Sehnsuchtsmenschen“. Verständlich. Und zugleich oft nicht ganz einfach – für alle Beteiligten.
Deine Kinder dürfen beide Eltern lieben
Natürlich ist es wichtig, dass deine Kinder ihre Liebe zum jeweils anderen offen zeigen können – was aber, wenn genau das dich innerlich in Zwiespalt bringt?
Ich persönlich halte wenig davon, sich Gefühle zu verbieten – versuchen wir dies, kommen sie ohnehin meist lediglich in leicht veränderter Form wieder an die Oberfläche. Also schau hin. Und wie oft gilt: Nicht deine Kinder müssen sich ändern – du selbst darfst dich Veränderung öffnen!
Hilfreiche Fragen zur Selbstreflexion:
- Was bewegt mich wirklich? Trauere ich selbst noch stark? Sehe ich den anderen Elternteil und mich innerlich in Konkurrenz? Fehlt mir die Zuneigung oder Anerkennung, die meine Kinder ihrem Vater oder ihrer Mutter entgegenbringen?
- Was brauche ich, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen? Sehne ich mich nach Zärtlichkeit? Nach praktischer Unterstützung? Weiß ich erst einmal, was ich brauche, kann ich Schritt für Schritt beginnen, es mir (wieder) zu schaffen!
- Wie habe ich unser Elternsein bisher erlebt und gelebt – und wie will ich es in Zukunft leben? Mehr oder weniger nebeneinander, harmonisch oder als Kampf und Wettbewerb? Welche Form der Elternschaft ist mit dem Vater oder der Mutter meiner Kinder überhaupt möglich? Hier ganz ehrlich zu dir selbst zu sein, mag schmerzen, aber du erkennst so auch, was du für dich und deine Kinder aus tiefem Herzen willst – und was vielleicht nicht mehr.
Der Weg zu großzügiger Liebe
Deine Kinder in ihrer Liebe zu einem Menschen zu begleiten, den du nicht (mehr) liebst, ist nicht einfach. Am ehesten wird er dir gelingen, wenn du
- dein Unbehagen, deine Wut oder Trauer zunächst einmal akzeptierst,
- herausfindest, was die Situation so schwierig für dich macht und
- beginnst, dir selbst zu geben, was du im Kern vermisst.
Vergiss dabei nicht: Deine Kinder lieben dich in jedem Fall. Wirklich frei und glücklich lieben können sie dich aber, wenn sie dabei auch sie selbst sein dürfen. Und dazu gehört, dass ihre Liebe zu dir auch ihren anderen Elternteil einschließt. Indem du lernst, das aus vollem Herzen anzunehmen, ohne dabei deine eigene Verletztheit, innere Distanz oder Wut zu übergehen, zeigst du auch deinen Kindern, was Liebe ist. Die zu ihnen, aber, vielleicht noch wichtiger, die zu dir selbst.
Herzlich alles Gute, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)
Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen sowie Mutter eines Kindergarten- und eines Grundschulkindes.
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[Foto: Screenshot Trickserie „Die Dinos“]

Gefällt mir sehr, dein Beitrag, liebe Sarah! Gerade auch, dass du nicht versuchst, Wut und Trauer einfach zu unterdrücken, sondern es wichtig findest, zu akzeptieren, dass es zunächst mal normal menschlich ist, dass diese Emotionen in so einem Fall hochkommen. Und sich dann nach Abflauen der Wut / Trauer anzuschauen; was genau es war / ist, was diese Wut / Trauer ausgelöst hat.
Denn oft möchte man / frau ja übermenschlich sein, und verbietet sich dann, Wut überhaupt zuzulassen. Oder man / frau trägt ewig Groll mit sich herum. Beides nicht so toll … .
Herzliche Grüße 💖
Maren
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Danke für deinen Kommentar – und ja, genau das war die Absicht hinter dem Beitrag. Sehe unseren „Job“ als Eltern darin, unser Verhalten zu reflektieren -gerade, weil wir natürlich auch längst nicht immer so handeln, wie wir es vielleicht richtig und „moralisch wertvoll“ fänden.🤷♀️
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