
Kürzlich las ich auf einer Seite für frisch getrennte Paare: „Hast du dir die Wahl deines Ex-Partners (wahlweise natürlich auch deiner Ex-Partnerin) schon verziehen?“ Der Satz berührte mich zuerst ganz seltsam. Irgendwie schrecklich, sich im Nachhinein die Wahl des Liebespartners „verzeihen“ zu müssen… Oder doch nicht? Je länger ich darüber nachdenke, um so plausibler erscheint mir die Frage. Jedenfalls, wenn ich davon ausgehe, dass man (und frau) sich in den seltensten Fällen trennt, weil alles rosig gelaufen ist in der Partnerschaft – und gerade mit Kindern zugleich Wege finden muss, mit Ex-Partner oder Ex-Partnerin wieder einen halbwegs versöhnlichen Umgang zu finden.
Er (oder sie) war einmal deine Wahl – auch wenn du heute anders wählen würdest
„Wenn ich ihm oder ihr doch nie begegnet wäre!“ Ein solcher Gedanke kann dir nach einer Trennung schon einmal durch den Kopf schießen. Oft geht der Tatsache, dass ihr als Paar auseinander geht – erst recht, wenn ihr gemeinsame Kinder habt – doch ein langes Ringen um die Beziehung voraus. Manchmal auch nur innerlich und einseitig, dann fällt der oder die andere „aus allen Wolken“ und bleibt erst recht schockiert, verletzt und wütend zurück.
„Wie konnte ich nur so blind, so dumm, so willensschwach sein?“, fragst du dich dann vielleicht. Und: „Warum habe ich gerade diesen Menschen gewählt und bin bei ihm geblieben?“ Nun, du wirst deine Gründe gehabt haben – er oder sie ebenfalls. Und vermutlich ist genau das mit dem Satz gemeint, sich die Wahl des Ex-partners oder der Ex-Partnerin zu verzeihen: Du hast genau diesen Mann oder genau diese Frau gewählt, weil es für dich zu einem früheren Zeitpunkt passend war. Weil dir bestimmte Dinge wichtig waren, die dir heute vielleicht nicht mehr wichtig sind. Weil du nur auf dein Gefühl – oder aber gerade nicht auf dein Gefühl und deine Intuition – gehört hast.
Beginne bei dir selbst: Verzeih dir!
So oder so, du hast damals deine Wahl getroffen – und zumindest, wenn ihr gemeinsame Kinder hat, bleibt dein Ex-Partner oder deine Ex-Partnerin durch sie auch nach der Trennung Teil deines Lebens. Dagegen kannst du ankämpfen. Oder eben annehmen: Er oder sie war einmal deine Wahl. Jetzt würdest du ihn oder sie (vermutlich) nicht mehr wählen. Aber verzeih dir, was du früher noch nicht anders sehen konntest oder nicht besser wusstest. Es ist geschehen. Was zählt, ist, wie du von hier und heute aus weitergehst. Deine Entscheidung von damals ändert am Jetzt nichts mehr, sehr wohl jedoch, welche Entscheidungen du heute triffst.
Was kannst du konkret tun?
- Beginne dich von unguten Mechanismen zu befreien, die euer Zusammensein als Paar bestimmt haben. Ändere die Art, wie du kommunizierst, hinterfrage Glaubenssätze, die eure Beziehung geprägt haben und suche dir bei diesem Prozess aktiv Hilfe.
- Definiere deine Grenzen und kommuniziere sie. Du hast ein Recht auf deinen Raum und Schutz und Wohlbefinden für dich und dein Kind. Hole dir professionelle Hilfe, wenn du alleine nicht weiterkommst.
- Konzentriere dich auf Dinge, die dir gut tun, ohne den oder die andere/n weiter ändern zu wollen. Wohin sich deine Aufmerksamkeit richtet, dorthin fließt auch deine Energie. Wende dich innerlich dir selbst und deinen Kindern zu, nicht deinem Ex-Partner oder deiner Ex-Partnerin.
- Erlaube dir und deinen Kindern, wieder glücklich zu sein. Unabhängig davon, ob dein Ex-Partner oder deine Ex-Partnerin zu eurem Glück beiträgt. Du siehst keinen Ausweg in deiner Situation? Hole dir (psychologische) Unterstützung, um neue Perspektiven zu finden!
In diesem Sinn: Lass den Groll über dich selbst und deine Partnerwahl los. Verzeih (auch) dir selbst. Und dann geh mutig weiter. Dein Expartner oder deine Expartnerin ist Teil deiner Vergangenheit. Aber du bestimmst, in welcher Form er oder sie Teil der Gegenwart bleibt. Genau das kann der Schritt sein, der Bewegung möglich macht – in ein besseres, fröhlicheres, leichteres Leben für dich und deine Kinder!
Herzlich, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)
Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen sowie Mutter eines Kindergarten- und eines Grundschulkindes.
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