
Als Mutter in die Kommunalpolitik? Womöglich mit „heiklen“ Themen wie Gewaltschutz oder Kritik an der Geburtshilfe in Deutschland? Schwierig. „Mein Aufnahmeantrag in die Partei wurde ohne Begründung abgelehnt.“ „Ich habe den Eindruck, bei der Durchsetzung von Themen geht es nur um Kontakte, die man eben hat oder nicht.“ „Wie soll ich als Alleinerziehende Politik machen, wenn die Sitzungen abends um 18 Uhr und am Wochenende stattfinden?“ Drei Äußerungen, die mich als Journalistin und Autorin von Müttern erreichen, die sich in der Politik engagieren wollen.
Politik in Deutschland: Alt, weiß und (oft) männlich
Unsere Politik in Deutschland, sowohl in Bezug auf ihre gewählten Vertreterinnen und Vertreter, als auch in Bezug auf die Wähler:innen, ist noch immer überwiegend eins: Alt, weiß und männlich. Darüber täuscht auch die Quotierung von Plätzen und die paritätische Führung in einzelnen Parteien nicht hinweg. Mütter – erst recht die von kleinen Kindern – machen im Regelfall auch heute, im Jahr 2024, keine (Partei-) Politik. Ebenso wenig wie Menschen mit Migrationshintergrund oder sehr junge Erwachsene, auch wenn sich diese häufig außerhalb der Parteien durchaus politisch engagieren.
Das ist ein Nachteil für unsere Gesellschaft – und unsere Demokratie. Und das nicht, weil Mütter per se friedvoller, reflektierter oder „demokratischer“ wären als andere Menschen – nein, schlicht, weil ihre Anwesenheit in Verbänden, Unternehmen und in der Parteipolitik für mehr Vielfalt sorgen würde. Demokratie, die „Herrschaft des Volkes“ lebt nun einmal davon, dass ihre Repräsentant:innen dessen Interessen auch vertreten. Das aber ist nur dann der Fall, wenn Menschen da sind, die sich für entsprechende Positionen einsetzen und dafür sorgen, dass diese gehört werden.
Familienpolitik als „Randnotiz“
Rund 11 Millionen Familien – und entsprechend viele Mütter – leben in Deutschland. Sie stützen maßgeblich unsere Gesellschaft. Und das unter denkbar schlechten Bedingungen: Das marode Schul- und Bildungssystem, Personalengpässe in Kitas, Pflegeeinrichtungen und Schulen mit den bekannten Konsequenzen – all das wird aufgefangen von den Menschen, die in Familien für ihre Kinder, Eltern und weitere Angehörige sorgen. Im weit überwiegenden Teil sind das auch heute noch Frauen. Mütter leben dadurch häufig nicht nur in prekären finanziellen Verhältnissen und damit in Abhängigkeit von ihren Partner:innen; ihnen fehlt auch ganz konkret die Zeit und Energie für politisches und soziales Engagement.
Kein Wunder, dass ihre Belange – wie eben die vieler anderer gesellschaftlicher Gruppen – politisch häufig nur als „Randnotiz“ wahrgenommen werden. Während die Proteste der Bauern gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung vor einigen Wochen deutschlandweit Aufmerksamkeit erregten und auf höchster Ebene umgehend darauf reagiert wurde, erreichten die Initiatorinnen von fünf großen, bundesweit erfolgreichen Petitionen zu familienpolitischen Themen im Jahr 2023 bisher denkbar wenig: Das Elterngeld, für dessen Erhöhung sich eine der Petitionen einsetzte, wurde seitdem sogar gekürzt, die Kindergrundsicherung lediglich mit äußerst knappen Mitteln realisiert und die Initiatorinnen der „Familienkette“, einer im Herbst 2023 deutschlandweit organisierten friedlichen Demonstration, erhielten trotz langfristig gestellter Anfrage schließlich am Tag ihres Protests das Angebot, sich statt mit der Familienministerin für ein Gespräch mit einem Mitarbeiter am Fahrradunterstand des Ministeriums zu treffen. Das berichtet eine der Organisatorinnen auf dem Account der Initiative auf Instagram.
Solange Eltern und weitere bedeutende Gruppen unserer Gesellschaft politisch aber buchstäblich „draußen bleiben“ müssen, ist die Gefahr groß, dass auch die Politik selbst monothematisch wird: Wirtschafts- statt fürsorgeorientiert und ohne wirklichen Bezug zu dem, was Menschen in unserer Gesellschaft wollen und brauchen.
Politikverdrossenheit als Gefahr für unsere Demokratie
Ganz aktuell nutzt mit der AfD eine rechtspopulistische Partei diese Schieflage und macht sich die Politikverdrossenheit und Unzufriedenheit von Menschen zunutze. Zwei Drittel der AfD-Wähler:innen sind nach Aussage der Bundeszentrale für politische Bildung männlich, die Wählerschaft umfasst alle gesellschaftlichen Schichten. Viele wählen aus Protest. Wer sich von der Politik nicht gesehen fühlt – und gegebenenfalls wenig Erfahrung hat mit politischer Beteiligung –, ist offenbar aufgeschlossen für die altbekannten „einfachen Lösungen“, die rechtspopulistische bis rechtsextreme Politiker:innen gerne vertreten.
Wollen wir unsere Demokratie wirklich erhalten, brauchen wir mehr als das punktuelle Bekenntnis zu ihr, wie es in den letzten Wochen in den bundesweiten Großdemonstrationen gegen Rechts geschah. Wir brauchen eine Politik, die wirklich die Belange der Menschen, die sie vertritt, aufgreift. Das erreichen wir jedoch nur, wenn ihre Vertreter:innen unsere Gesellschaft abbilden. Mütter sind dabei nur eine Gruppe von Menschen, die aktuell in der Politik schmerzhaft unterrepräsentiert sind. Auch Menschen mit Behinderung, Menschen, die Angehörige pflegen, junge Menschen und Menschen nicht-deutscher Herkunft sind in der Bundespolitik nur marginal aktiv. Wollen wir unsere Demokratie langfristig schützen, müssen wir uns die Zugänglichkeit der Politik und damit ihre Vielfalt bewahren. Kein Nice-to-have, sondern eine Notwendigkeit. Gerade jetzt!
Nachdenkliche Grüße, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)
Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen sowie Mutter eines Kindergarten- und eines Grundschulkindes.
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[Foto: Pixabay]

Gute Rede, die so direkt eine Bundestagsdebatte bereichern könnte! Aber ja, ich bleibe auch nachdenklich, wenn die Erschöpfung durch aufgefangene Mangel-Systeme am Ende nicht mehr zulässt.
Müdemutige Grüße
Markus
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Vielen Dank! Und ja, dass (politische) Beteiligung zum Teil aus Zeit- und Ressourcenmangel nicht möglich ist, ist ein Problem!
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Ich trage mich mit Ende 50 auch mit dem Gedanken in eine Partei einzutreten. Als Mutter von vier Kinder im Alter zwischen 14 und 34 habe ich da einige Kompetenzen. Aber welche Partei ist für mich die richtige ? Mit dieser Frage schlage ich mich aktuell herum.
Liebe Grüße,
Britta
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Da kann frau ja gespannt sein, was die Zukunft bringt – und wo du deine Expertise einbringen wirst. Halte mich auf dem Laufenden!😊
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