Familie, Hochsensibilität

„Mama, spiieeelen!“ Warum ich NICHT mit meinen Kindern spiele und uns das alle glücklich macht

Kletterndes Kind

Mama spielt nicht. Jedenfalls nicht wie der Fünfjährige. Und auch nicht wie die sechs Monate alte Schnuckelbacke. Keine Karambolage auf dem Auto-Teppich, kein „Ich-fang-den-Stoff-Frosch-und-esse-ihn-auf“. Wäre ja auch komisch, oder? Schließlich bin ich vierzig, nicht vier. Oder? Warum übernehmen dann so viele Eltern – und gerade auch wir Mütter – dennoch wie selbstverständlich die Rolle, der wir eigentlich längst entwachsen sind? Kämmen scheinbar mit Inbrunst stundenlang Barbie-Ponys oder stapeln Duplo-Steine aufeinander? Ich tue das inzwischen nur noch selten – und meine Kinder sind trotzdem froh.

Dabei spiele natürlich auch ich ab und zu mit meinen Kindern. Mit dem Kleinen, indem ich ihn Hoppe-Hoppe-Reiter singend auf den Knien hüpfen lasse, mit dem Großen auch schon mal beim Monstertruck-Angriff auf dem Auto-Teppich. Das macht mir sogar Spaß – wenn ich ehrlich bin, die ersten 10 Minuten lang. Soll ich danach weiter schaukeln und Kinderreime singen? Soll ich auch noch die Abriss-Aktion des Lego-Hauses mit choreografieren? Wenn es nach meinen Kinder geht, nur zu gerne. „Mama, spiiieeelen!“, klingt mir vor allem die Stimme meines Großen im Ohr, sobald er nur zur Tür hereinkommt. Aber heißt das, dass ich dem folgen muss?

Als Erwachsene noch nicht Lego spielten

Zu einer Zeit, die noch gar nicht so lange her ist, nämlich in meiner eigenen Kindheit, waren, wie ich mich erinnere, Erwachsene auch dabei, wenn Kinder spielten. Sie unterhielten sich, pokelten in den Zähnen oder lasen Zeitung, schoben jedenfalls nicht den Puppenwagen oder Playmobil-Bus hin und her. Ich erinnere mich auch sehr gut an diese langen Momente am Anfang eines Nachmittags, wenn meine Schwester und ich auf die Kinder von Freunden meiner Eltern trafen. „Was wollen wir spielen?“, fragten wir uns. Und je nachdem, mit wem wir zusammen saßen, fiel uns erst einmal nichts ein. Bis schließlich, in der allseits abwartenden Langeweile, einem von uns doch etwas in dem Sinn kam. Daraus wurden dann oft nachmittagfüllende Spiele der Art „Wir studieren eine Zirkusvorstellung ein und führen sie den Eltern vor“ oder „Wir malen Bilder und machen eine Kunstaktion“. Oder wir verschwanden gleich draußen unter dem nächsten Busch und spielten „Verschollen im Dschungel“. Eigentlich brauchten wir für unsere Spiele auch kaum etwas. Eine Hecke als Urwalddickicht, ein paar Tücher und Hüte als Kostüm. Dass unsere Eltern dabei mitmischten? Höchstens am Ende als Auktions- und Zirkuspublikum. Aber während wir spielten? Sie hätten uns nur gestört.

Wie kommt es dann, dass wir, die wir als Kinder alleine, beziehungsweise unter uns Kindern gespielt haben, unsere eigenen Kinder beim Spielen kaum in Ruhe lassen? Und dass unsere Kinder umgekehrt von uns oft geradezu fordern, „bespielt“ zu werden? Weil ihnen alleine nichts einfällt, oder weil sie keine Lust haben, ohne uns zu spielen?

Gute Eltern = spielende Eltern?

So finden wir uns als Mütter oder Väter in der – eigentlich absurden – Situation wieder, so zu tun, als verfolgten wir mit Leidenschaft Dinge, die Zwei-, Drei- oder Fünfjährige interessieren. Und zwar auf dieselbe Weise, wie sie es tun. Autos als „Stau“ in einer Reihe anordnen und nach und nach unter lautem Gebrumm anfahren lassen – einen Fünfjährigen mag das eine gute halbe Stunde lang fesseln – alle jenseits des Kindergartenalters doch eher weniger. Warum zwingen wir uns dann trotzdem, zu tun, als hätten wir die Interessen eines Vorschulkindes? Weil genau dieses Vorschulkind sich das von uns wünscht? Weil wir „gute Eltern“ sein wollen?

“Einfühlsame Eltern spielen mit ihren Kindern“. Dieser Glaubenssatz scheint fest in unseren pädagogisch geschulten Elternköpfen verankert zu sein. Also spielen wir: Ausdauernd und erzieherisch wertvoll – wobei uns das Wichtigste abhanden zu kommen droht: die Freude am Zusammensein mit unserem Kind. Genau dieses Paradox beschreibt Bloggerin Christine, Mutter zweier Söhne im Grundschulalter, in ihrer Reflexion über das Spielen mit ihren Kindern. Wie sie schreibt, ließ irgendwann schon der Gedanke, wieder mit ihren Jungs spielen zu „müssen“, ihren Puls nach oben schnellen. Sie fühlte sich beim Versuch Kinderspiele mitzuspielen zugleich gelangweilt und gestresst. Also tat sie – was?

Sie ließ es einfach sein. Und bot ihren Kindern statt dessen an, mit ihr Zeit zu verbringen auf eine Weise, die auch ihr gut tat. Indem sie mit ihnen Dinge unternahm, die ihr selbst Freude bereiteten. Oder, wie sie selbst es formuliert: Sie wurde mütterlich, indem sie sich und ihren Kindern die Grenzen ihres Mutterseins aufzeigte.

Der Wunsch nach gemeinsam verbrachter Zeit

Genau das ist der Weg, den auch ich inzwischen gehe. Statt endlos „Hoppe-Reiter“ mit meinem Halbjährigen zu spielen, mache ich mit ihm in der Trage einen Spaziergang und wir bewundern die Dekoration in den Fenstern der Nachbarhäuser. Macht mir Spaß und ihm offensichtlich auch. Oder ich tanze mit ihm zu meinen Lieblingssongs durch die Wohnung. Er mag den Rhythmus, ich die Musik: Win-Win! Meinem Großen wiederum biete ich an, mit mir das Gemüse für das Mittagessen zu schneiden und er findet es spannend, dass er dabei mit dem scharfen Messer hantieren darf. Oder wir backen seinen Lieblingskuchen – nicht nur wegen der Möglichkeit, die Teigreste aus der Schüssel zu schlecken, ein Highlight für ihn wie für mich.

Ich spiele also relativ wenig mit meinen Kindern. Aber erfülle ihnen offensichtlich das Bedürfnis, das vielleicht vor allem hinter dem Ruf „Spiiieeel mit mir!“ steht: ich verbringe Zeit mit ihnen. Und zwar entspannt und ihnen zugewandt. Dass mir das beim Kuchenrühren leichter fällt als beim Klötzchenstapeln? – Geschenkt. Das macht mich eben aus. Indem ich mit ihnen teile, was mir selbst Freude bereitet, mache ich ihnen mein größtes Geschenk: ich bin mütterlich und dabei ganz ich selbst. Was soll ich sagen: es tut uns allen gut.

Herzlichen Gruß, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen und Mutter eines Kindergarten- sowie eines Grundschulkindes.

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[Foto: Pixabay]

20 Gedanken zu „„Mama, spiieeelen!“ Warum ich NICHT mit meinen Kindern spiele und uns das alle glücklich macht“

  1. Hast du über mich geschrieben? Ich fühle mich angesprochen. Auch ein wenig ertappt und schuldig.
    Ich verbringe viel Zeit mit meinen Kindern, auch viel qualitative.
    Ich male, ich lese vor, ich locke sie oft und viel in die Natur, ich bringe ihnen gern Neues bei: Zungenbrecher, Silben Klatschen, Buchstaben, Scrabble, wir machen Experimente, what ever.
    Aber ich baue kein Lego mit, male nicht mit Wasserfarben, knete nicht mit, spiele keine Dinorollen und hab keine Ideen, was man mit 2 Autos alles so spielen kann. Es macht mir auch keinen Spass! Null. Es nervt mich und lässt mich ständig an Dinge denken, die ich so viel lieber tun würde, zB Spülmaschine ausräumen und Wäsche waschen 🙂

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    1. 😂 Danke, Petra, für deinen ehrlichen Kommentar! Aber warum ertappt? So wie du es schreibst, möchte ich bei euren Freizeitaktivitäten auch gern dabei sein – klingt mindestens so gut wie Matchbox-Autorennen!… Lg, Sarah

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  2. Ich bin das alte Pferd, ich bin Benjamin Blümchen, der Rabe Abraxas, das reimende Sams. Unter meinem Schreibtisch wohnt ein zahmer Dino, der auch beim Kuchenbacken hilft. Und wenn das Schätzchen im Bett ist, gehe ich auf meinen Blog und unterhalte mich mit Feen.
    Vor vielen Jahren haben wir mal Nemos Nautilus gebaut, aus allen vorhandenen Legosteinen.
    Wer allerdings länger als drei Minuten Fußballspielen will, muss sich wen anderes suchen. 😉

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    1. Wunderschön! Das könnte von mir sein. Ich bin auch so eine Geschichtenspinnerin im Spiel. Momentan wünscht zumindest der Größere allerdings eher Fußball und Kissenschlacht… bekommt er ab und zu – und muss sonst eben mit Kuchenbacken oder Fahrradfahren, bis sein Sinn fürs Fabulieren (vielleicht) wiederkehrt. Bin gespannt!🙂 Lg, Sarah

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  3. Du sprichst mir aus der Seele. Ich mache wirklich alles um meine Kinder glücklich zu machen, aber manchmal reicht es auch. Buch vorlesen, Memorie spielen, malen, basteln,… aber sie müssen auch lernen sich selber zu beschäftigen. Wir haben jetzt im Garten ein Sonnensegel aufgehängt, dann können die da auch im Sommer im Sandkasten spielen, ohne dass ich mir sorgen wegen der Sonnen machen muss und schaffe auch mal was im Haushalt. Den der bleibt oft genug liegen, vor allem, seitdem die Kinder nicht in die KITA gehen können. Hoffentlich geht das bald wieder.
    LG Miriam

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    1. Danke für deinen Kommentar! Das klingt doch gut. Vielleicht sind unsere Kinder nach dem ersten Gemaule ja sogar froh, sich mal ganz ohne elterliche Einmischung in ihr Spiel vertiefen zu können?! 😉 Herzlich einen schönen Sommer euch und hoffentlich bald wieder geöffnete Kitas! Sarah

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  4. Sehr schöner Artikel. Letztendlich kommt das Spielen der Eltern bzw. die vermeintliche Spielpflicht der Eltern, daher, weil heute mehr Freizeit da ist, als vor 50 Jahren. Die Eltern arbeiten nicht mehr 10 Stunden am Tag auf dem Feld, im Haushalt, auf der Arbeit, sondern sind am Nachmittag auch mal daheim und atmen durch. Dann könnte man theoretisch mit den Kindern spielen, muss man aber nicht. Klar kann man die Kinder zu neuen Spielen inspirieren und mit ihnen ausprobieren, aber eben nicht immer und nicht stundenlang. Gemeinsame Zeit kann man anders besser nutzen: Gesellschaftsspiele, Basteln, Malen, Vorlesen. Je nach Geschmack.

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  5. Hallo in die Runde,

    Meine Gedanken kreisen darum, dass hier mehrere Sachen zusammen gewürfelt werden…

    ICH spiele gerne. Lego, Puzzles, Brettspiele, Fangen – auch jetzt mit 40!!! Egal ob mit Kindern oder Erwachsenen.

    Babys oder Kleinkinder… brauchen Mama. Mit 5, 8, 15… Wollen die ganz alleine nixs mehr von uns wissen.

    Du schreibst Tanzen, Backen, Spazieren… DAS sind Dinge für mich, die ich selbstverständlich mit meinen Kindern mache. Ohne explizit darüber nachzudenken, mit ihnen zu spielen.

    In meiner Kindheit haben meine Eltern 6-18h gearbeitet, ich war im Hort oder mit Freunden auf der Straße unterwegs! Die Gesellschaft war eine andere! Heute sind kaum noch Kinder auf der Straße. Viele sind Einzelkind. Da bleiben nur die Eltern.

    Unser Wohnzimmer ist ein Legoland. Mich stört es Null! Schrecklich finde ich hingegen Eltern, die ihre Kinder zum Spielen ins Zimmer schicken.

    Wir haben nur wenige Jahre, wo sie uns brauchen, wir sie kuscheln können und in ihre Fantasiewelt abtauchen können – ich genieße es und möchte es um keinen Preis eintauschen.

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    1. Ich habe wirklich oft keine Lust mit meinem Großen Autocrash oder Vulkanausbruch oder so etwas in der Art zu spielen. Ich mache es aber wann immer ich kann und merke oft, dass die Zeit schneller vergeht als erwartet und das Spielen doch plötzlich auch mir Spaß macht.

      Ich finde deinen Kommentar sehr schön. Danke!!! Das motiviert mich!

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  6. Ein schöner Beitrag! Mach weiter so! Kinder können ja auch mit anderen Kindern Auto spielen. Kinder merken ja auch, ob Mama und Papa gerne spielen oder nur aus Pflichtgefühl. Und beim Kuchen backen kann man außerdem neben dem Spaß noch eine Menge lernen!

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  7. Ansätze kann ich verstehen, ja. Mein älterer Sohn brauchte mich in den ersten Jahren, bevor es losging mit Kindergarten oder Freunde treffen aber auch für seine kindlichen Spiele…
    Jetzt haben wir 2 Jungs, 10 und 6, und sie spielen Rollenspiele, etc. lieber unter sich.
    Ich bin Erzieherin in einer Kita und beobachte vermehrt, dass Kinder immer weniger so spielen können. Sie wachsen als Einzelkind auf oder Eltern spielen nicht mit ihnen. Sie werden zu viel mit Medien konfrontiert. Zwischendurch sich mal aufs kindliche Spiel einzulassen tut gut. In eine Phantasiewelt einzutauchen. Kinder in unsere große Welt einzuladen tut auch gut. Es sollte aber ausgewogen sein.

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  8. Ich freue mich immer wieder, wenn man liest, dass man nicht alleine ist mit seiner Einstellung.
    Ich bin sehr gerne Mama , aber auch gerne einfach die Mandy. Ich handhabe das genau so mit meinen Kindern und dem Spielen. Sehr schön!

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  9. Ich denke, dass hier alles seine Berechtigung hat, einerseits darf ich als Mutter auch sagen, was ich mit den Kindern machen möchte oder worauf ich eben keine Lust habe (was ich als Kernaussage, aus dem Bericht rauslese), andererseits kann natürlich jeder die Zeit so gestalten, wie es ihm gefällt und wenn es Lego bauen oder ein Spiel mit den Autos ist, dann ist das vollkommen in Ordnung :). Wichtig ist nur, dass man sich wohl fühlt damit.
    Ich selbst weiß nur zu gut, dass nach dem 5ten Mal dasselbe Buch lesen, es nicht mehr so authentisch, mit verstellter Stimme, klappt. Wobei ich sagen muss, dass meine ältere Tochter gern alleine spielt und ich dankbar bin dafür, aber ich genieße dann auch die Zeit, wenn sie mit mir ein Spiel spielen oder tanzen mag. 😇
    Danke für den Artikel, er war super toll zu lesen und bestärkt hoffentlich viele Mütter/Väter, das zu machen was auch ihnen Spaß macht.

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    1. Danke dir für deinen Kommentar. Du hast genau erfasst, worum es mir geht!:-) Sei echt mit deinen Kindern und sucht euch Dinge, die allen Spaß machen – auch wenn ich selbst natürlich auch mal mit den Autos mitspiele, dogmatisch bin ich da nicht. Danke übrigens für dein schönes Kompliment am Ende – freut mich!
      Lg, Sarah

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  10. Und was sagst du dann immer, wenn deine Kinder dich wieder fragen, ob du mit ihnen spielst? Es fühlt sich immer wie eine Zurückweisung an. Sie fragt in jeder freien Sekunde, in der ich von einer zur anderen Tätigkeit wechsle. Und ich spiele ja schon mit ihr. Ich hab auch ein Einzelkind. Das ist vielleicht auch nochmal anders.

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