Familie, Hochsensibilität, Persönliches

Entspannt sein heißt für mich: ganz bei mir selbst zu sein

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„Was ist wirklich entspannend für dich?“

Lea Heuser stellt im Rahmen einer Blogparade auf ihrer Website genau diese Frage. Auf ihren Aufruf hin habe ich bereits zwei Artikel geschrieben, jeweils aus der Perspektive der getrennt erziehenden Mutter eines kleinen Sohnes. Während mein erster Text die Haltung hinterfragt, mit der ich mir Spannung – oder aber Entspannung – im Alltag mit kleinem Kind erzeuge, sammelt mein zweiter Text konkrete Tipps für eine entspannte Freizeitgestaltung allein mit Kind.

Entspannung ist für mich mehr als ein Moment der Muße

Mich wirklich zu entspannen geht für mich aber viel tiefer als gemeinsam mit meinem Kind Momente der Muße und Erholung zu finden. Nach der Veröffentlichung der Artikel führte ich ein intensives Gespräch mit einer guten Freundin. Wir unterhielten uns nicht nur über Entspannung, sondern im weiteren Sinn über Achtsamkeit, (Selbst-) Mitgefühl und inneres Wachstum, so dass mir die Idee kam, das Thema Entspannung noch einmal aus einer ganz anderen Perspektive zu beleuchten: mit dem Fokus auf mich und meine Bedürfnisse, auch als Mutter, aber eben nicht ausschließlich auf meine Rolle als Mutter bezogen. Daher – voilà – hier Entspannungs-Beitrag Nr. 3!

Ruhe finden im fokussierten Tun

Ich beginne damit, dass ich über das Schreiben schreibe. Vielleicht hast du dich als regelmäßige Leserin oder treuer Leser schon einmal gefragt, wie ich als berufstätige Mutter eines Kleinkindes die Energie und vor allem die Zeit finde, etwa jeden dritten Tag einen Artikel online zu stellen, insgesamt in einem Jahr rund 170 Beiträge. Nun ja, ich schreibe oft abends und manchmal auch nachts, wenn mein Sohn schläft. Ab und an auch mitten am Tag, z.B. während seines Mittagsschlafs. Keimt in mir ein Gedanke und verdichtet sich innerhalb einiger Minuten – oder auch Stunden – zur konkreten Idee, nutze ich schlicht die nächste sich mir bietende Gelegenheit, das Gedachte „zu Papier“ zu bringen. 

Was wiederum die Energie angeht, so gibt mir das Schreiben eher Energie, als dass es sie mir entzieht. Der berühmte „Flow“ des Mihály Csíkszentmihályi: ich verbinde mich, während ich meine Blogartikel verfasse, mit etwas, das mir tief im Inneren wertvoll erscheint. Während ich schreibe, gehe ich in meinem Tun auf, spüre tatsächlich über Stunden weder Hunger noch Durst und bin voller Energie. Die Fokussierung, die ich beim Schreiben aufbringen muss, schenkt mir Entspannung. Dadurch, dass ich mich ohne Ablenkung und in kreativer Weise mit Themen befassen darf, die mich interessieren, komme ich zur Ruhe. 

Wirklich entspannend ist für mich auch, im Beisein anderer sowie alleine ganz bei mir selbst zu sein. 

Was ich damit meine? Ich kann es einerseits „ex negativo“ beschreiben: Bin ich im Zusammensein mit meinem Kind, mit Freunden oder auch in beruflichen Situationen gerade nicht „bei mir“, drängt meine Aufmerksamkeit, mein Fokus, weg von mir und hin zum anderen. „Was will er jetzt von mir?“, „Was denkt sie über mich?“, „Was kann ich tun, damit er oder sie mich mag?“

Bleibe ich umgekehrt bei mir und achte darauf, welche Mechanismen in mir, statt vermeintlich im anderen, ablaufen, verliert die Stimme des plappernden Verstandes ihre Kraft. Ich kann wahrnehmen, dass ich überrascht, erschreckt, erfreut oder sehnsuchtsvoll reagiere, ohne reflexartig den anderen zur Ursache meiner Gefühle zu erklären. Sein oder ihr Handeln mag meine Empfindungen ausgelöst haben, aber mit ihnen umgehen kann (nur) ich selbst. Ich kann dafür sorgen, mir im Gespräch, im Kontakt mit meinem Kind oder auch mit Freunden, Vorgesetzten oder einem Partner den Raum zu geben, den ich gerade brauche. Durch ein klares – innerliches oder auch äußeres – NEIN („Das passt nicht für mich“, „Ich bin nicht Ihrer Meinung“, „Ich möchte, dass du wertschätzender mit mir sprichst“) – und ebenso durch ein klares JA („Es ist wunderschön, mit dir zusammen zu sein“, „Ich möchte dieses Vorhaben mit Ihnen umsetzen“, „Ich liebe dich“). Diese Klarheit im Außen habe ich nur, wenn ich auch innerlich klar und ganz bei mir bin. Dann habe ich es nicht nötig, beleidigt oder furchtsam „um mein Recht“ zu kämpfen, denn ich weiß, dass es ohnehin mein Recht ist, dass meine Bedürfnisse, ebenso wie die des anderen, erfüllt werden – soweit es denn eben möglich ist. Genau darüber (wie es möglich sein kann), können wir verhandeln, aber nicht, ob meine Bedürfnisse – oder die meines Gegenübers – überhaupt relevant sind.

Andererseits muss ich mir mit der Haltung innerer Klarheit auch nicht „beweisen“, dass ich unterhaltsam/ erfolgreich/ liebenswert etc. bin, denn mein Selbstwert hängt nicht davon ab, ob mich jemand anderes für wertvoll hält. Wünsche ich mir also die Zuneigung oder Anerkennung eines anderen, kann ich dies wahrnehmen, ohne die Angst, mich im Falle einer Ablehnung „wertlos“ zu fühlen. Die Abwehr eigener Bedürfnisse (nach Ruhe und Rückzug, Austausch und Kontakt, Sicherheit oder Anerkennung) hängt meiner Wahrnehmung nach oft mit einer diffusen Furcht vor der eigenen Bedürftigkeit zusammen. Dabei ist es ganz natürlich, dass ich geliebt, anerkannt und gesehen werden will. Wir Menschen sind soziale Wesen, wir sind auf die Zuneigung und Wertschätzung anderer angewiesen um uns selbst lieben zu lernen und zu gedeihen. Nicht umsonst sind Liebesentzug, Abwertung und soziale Isolation die schmerzhaftesten Erfahrungen, die wir innerhalb unserer Entwicklung machen können. Aber es sagt eben zugleich nichts über unseren Wert aus, wenn wir diese Wertschätzung von außen nicht erhalten. Das zu erkennen gibt uns wahre innere Freiheit.

Was also entspannt mich wirklich? 

  • Mich auf Dinge, die mir wichtig erscheinen, zu fokussieren und sie in Ruhe und Konzentration verfolgen zu können.
  • Meine Gefühle als das wahrzunehmen, was sie sind: Signalgeber meiner inneren Prozesse und nicht die heimlichen Herrscher über mein Tun. Ich kann sie wahrnehmen, ohne ihnen reflexartig folgen zu müssen und finde dadurch im Zusammensein mit anderen wie mit mir selbst innere Ruhe und echte Entspannung.

Somit ist wahre Entspannung für mich letztlich eins: In tiefem Frieden ganz bei mir selbst zu sein – allein und im Zusammensein mit anderen. 

Und was ist Entspannung für dich?

Wie gehst du selbst mit den (alltäglichen) Anforderungen des Lebens um? Schreib mir hier oder beteilige dich noch bis zum 20.05. an Leas Blogparade!

Herzlichen Gruß, Sunnybee

[Foto: privat]

8 Gedanken zu „Entspannt sein heißt für mich: ganz bei mir selbst zu sein“

  1. Meine Güte, Du hörst ja gar nicht mehr auf 🙂 Und es wird immer besser. Dieser Beitrag beinhaltet so viel Wahres und zeigt mir gerade jetzt ganz genau auf, an welchem Punkt es bei mir hakt, seit ich wieder aus dem Krankenhaus zu Hause bin: Ich lasse mich ständig von meinem Umfeld auf die Palme bringen, statt bei mir selbst, meinen eigenen Bedürfnissen und meiner gerade so wichtigen Ruhe und Entspannung zu bleiben. Dabei fühle ich mich nicht mal in meinem Selbstwert angezweifelt oder bedroht – höchstens empfinde ich meine Bedürfnisse als übergangen und missachtet. Aber wenn ich nicht jedes Mal gleich angepisst reagieren würde, wäre es für die anderen Menschen sicher auch deutlich leichter, mich wertschätzender zu behandeln. Danke für diesen tollen Reminder, worauf es wirklich ankommt!
    liebe Grüße
    Lea

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    1. Danke, Lea,
      das freut mich sehr (dass dir der Artikel gefällt und auch, dass er dir gerade „nützlich“ sein kann)! Ja, das Thema deiner Blogparade hat offenbar einen Nerv bei mir getroffen!😉
      Wünsche dir Kraft, Energie und Ruhe in den nächsten Tagen. Und Menschen, mit denen du dich entspannen kannst!
      Herzlichen Gruß, Sunnybee

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    2. Danke Dir 🙂 und was ich noch vergessen habe: Ja, Schreiben entspannt auch mich total, deshalb gibt’s die nächsten Tage bestimmt auch bei mir noch ein paar neue Beiträge zu lesen. Liebe Grüße, Lea

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  2. Liebe Sunnybee,
    meines Erachtens schreibst Du hier über mehr als Entspannung, bzw. hast mich angeregt darüber nachzudenken, was eigentlich Ent-Spannung meint. Ohne Stress, ohne Druck, voller Wohlgefühl alles Loslassen, in einer leichten Dumpfheit in den Moment hinein leben? Denn davon schreibst Du ja nicht. Das volle in-Kontakt-mit-sich-selbst-Sein bringt nicht nur das, sondern auch schwierige Gefühle und Druck, Dinge umzusetzen, die einem wichtig sind. Du schreibst von Erfüllung, Ganzheit, „Kohärenz“ und letztendlich von Zufriedenheit und Glück. Das große Ganze also😊. Aber ich bin da ganz bei Dir, denn Entspannung ohne das ist leer.
    Mir ist noch ein wichtiger Punkt, dass man auf die von Dir beschriebene Art auch unterscheiden wird zwischen dem Wichtigen und dem Unwichtigen. Und ich denke, dass viel Stress durch das „Zuviel“ entsteht und wir automatisch entspannter sind, wenn wir diese Unterscheidung treffen und Unwichtiges aussortieren.
    Wenn ich das Ganze jetzt als Ärztin betrachte, muss ich feststellen, dass Du hier ganz wunderbar die beste Burn-Out-Prophylaxe beschreibst! Ein Handeln, das von meinen inneren Werten und Motivationen durchwärmt ist und in Freiheit von emotionalen oder äußeren Abhängigkeiten lebt und dabei gleichzeitig in Kontakt mit den eigenen Bedürfnissen und Grenzen ist. Das ist zutiefst gesund und „heil“!
    Vorösterliche Grüße, von Herzen, J.

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    1. Danke dir für deinen sehr durchdachten Kommentar! Ja, auch ich bin der Meinung, dass ein „Zuviel“ an Gedanken oder auch Aktivitäten zu Spannung führt.
      Wirkliches Loslassen, bzw. das „In den Moment hinein leben“ empfinde ich allerdings keineswegs als „dumpf“, sondern vielmehr als leicht und sehr genussvoll. Aber vielleicht meintest du ja eine Art der Ablenkung und Betäubung zur „Entspannung“ (z.B. vor dem Fernseher „Abschalten“)? Diese hinterlässt zumindest bei mir auch oft ein irgendwie dumpfes, unbefriedigendes Gefühl.
      Und zuletzt, was du zu dem „Druck, zu handeln“ schreibst, der entstehe, wenn man in Kontakt mit sich komme: Ich glaube, wenn man diesen Impuls zum Handeln als „Druck“ empfindet, braucht man vielleicht einfach noch etwas Zeit, um Mut zum Handeln zu sammeln oder sich über die eigenen Ziele wirklich klar zu werden. Dann kann man meiner Meinung nach auch noch einige Zeit liebevoll zu sich selbst sagen: Ok, ich sehe, was ich gerne ändern möchte, aber gerade kann (oder will) ich es noch nicht. Das Anerkennen und Artikulieren des Veränderungswunsches bringt ja oft schon Dinge in Bewegung, dass z.B. scheinbar „zufällig“ Ereignisse oder Menschen „von außen“ auf einen zukommen.
      Herzlichen Gruß und danke für den Austausch!🙂 Sunnybee

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