Familie, Gesellschaft, Partnerschaft

Als Paar getrennt, als Eltern verbunden: Co-Parenting als alternative Familienform

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Familien leben zusammen, die Eltern trennen sich und dann haben die Erwachsenen höchstens noch miteinander zu tun, wenn es formale Dinge zu klären gibt.

Darauf einigen sich viele Paare mit Kindern nach der Trennung und für die meisten stimmt dieses Modell wohl auch. Häufig hat sich ja im Verlauf der Partnerschaft gezeigt, dass die Beziehung auf der zwischenmenschlichen Ebene nicht harmoniert und manchmal überwiegt wohl schlicht der Wunsch, mit dem anderen nach der Trennung „so wenig wie möglich“ zu tun zu haben. 

Co-Parenting als Alternative? 

Ich möchte hier dennoch ein anderes Modell beleuchten: Was ist nämlich, wenn ich nach einer Trennung mit meinem Partner zwar nicht (mehr) zusammenlebe, wir auch keine Beziehung mehr führen, uns jedoch so stark als Eltern verbunden fühlen, dass wir unsere Beziehung auf dieser Ebene weiterführen wollen – und zwar über rein formale Absprachen oder gelegentlichen Austausch hinaus?

Co-Parenting ist das Eltern-Sein auf rein freundschaftlicher Basis. Befasst man sich ein wenig mit dem Thema, stößt man z.B. auf den Berliner Autor und Referenten Jochen König, der mit einer engen Freundin sein zweites Kind zeugte, ohne mit ihr je eine Liebesbeziehung geführt zu haben. Die Frau lebte zum Zeitpunkt der Empfängnis in einer Beziehung zu einer Frau, allerdings waren sich alle drei Beteiligten einig, dass sie gleichermaßen Eltern ihres Kindes sein wollten, auch wenn, wie gesagt, zwischen Kindsvater und Kindsmutter nie eine Partnerschaft bestand. 

In „Regenbogenfamilien“, also Familien, an denen schwule oder lesbische Paare beteiligt sind, ist rein biologisch ja immer ein/e Dritte/r an der Kindszeugung beteiligt und es bleibt lediglich die Frage, wie eingebunden in das Leben des Kindes diese Person sein wird. Das kann unter Lesben von einer anonymen Samenspende bis hin zu aktiver Vaterschaft wie in Königs Fall variieren, unter Schwulen im Prinzip auch von der auf die Schwangerschaft beschränkten Leihmutterschaft bis hin zum gemeinsamen Aufziehen eines Kindes zu dritt oder gar zu viert (zwei Frauen und zwei Männer, die jeweils eine gleichgeschlechtliche Beziehung führen und von denen ein Mann und eine Frau die leiblichen, ihre Partner die Co-Eltern sind). 

Dass Familienmodelle, die Co-Parenting beinhalten, gelingen können, können viele „Regenbogen-Eltern“ bestätigen. Dass sie grandios scheitern können, wohl auch. Kompliziert wird es jedenfalls, wenn die Ursprungskonstellation sich verändert, sich die ursprünglichen Paare trennen und die Beteiligten neue Partner finden. Erhält dann ein Kind, das Co-Eltern hat, noch weitere Co-Elternteile? Und welche Rolle spielen diese wiederum im Familienzusammenhang? Patchwork 2.0 sozusagen… 

Vermutlich ist es letztlich eine Frage der Bindung zum Kind und der Bereitschaft aller Beteiligten, sich – in welcher Form auch immer – weiterhin als „Familie“ zu sehen, die solche komplexen Lebensformen möglich macht. 

Getrennt als Paar, als Eltern verbunden? 

Lässt sich nun all dies auf getrennt lebende, aber immer noch freundschaftlich verbundene Eltern übertragen? Der Unterschied zu den zuvor beschriebenen Modellen besteht ja vor allem darin, dass ein ursprünglich konventionelles Modell (Vater-Mutter-Kind(er)) erst nach der Trennung in gewisser Weise „unkonventionell“ wird, indem nämlich nach einer neuen Form des miteinander Familie Lebens gesucht wird, eben, ohne als Eltern durch eine Liebesbeziehung verbunden zu sein. 

Nun könnte man sagen, dass diese Konstellation seit jeher in Dutzenden äußerlich klassischer Familien an der Tagesordnung ist. Die Paarbeziehung ist mehr oder weniger erkaltet, man bleibt „wegen der Kinder“ zusammen, lebt die Paarebene ggf. in Form von Affären oder Nebenbeziehungen außerhalb der offiziellen Ehe und im besten Fall ist man freundschaftlich verbunden und eben nur noch äußerlich ein Paar. 

Im Grunde würde das bewusste „Co-Parenting“ nach einer Trennung dann lediglich bedeuten, dass die Trennung auf der Paarebene auch offiziell vollzogen, die Eltern-Ebene aber bewusst als Verbindung der Eltern untereinander geschätzt – und gepflegt – wird. 

Wie kann so etwas aussehen? 

Im Alltag kann diese „Beziehungspflege“ als Eltern darin bestehen, sich nicht nur regelmäßig – und über formale Absprachen hinaus – über das gemeinsame Kind auszutauschen, sondern bewusst auch mit dem Kind/den Kindern als Familie gemeinsam Zeit zu verbringen, z.B. in Form von Ausflügen oder sonstigen Unternehmungen im Alltag. 

Klar muss beiden Elternteilen sein, dass die Paarbeziehung endgültig beendet ist. Und natürlich ist auch hier die Frage, wie „stabil“ ist dieses Modell, vor allem, wenn sich eines der beiden Elternteile oder gar beide neu binden. Besteht dann seitens der neuen Partner Eifersucht auf die noch immer enge Beziehung der Eltern? Oder behindert die Co-Parenting-Beziehung sogar den Aufbau einer engen Bindung an einen neuen Partner oder eine neue Partnerin? 

Klar dürfte wohl sein, dass diese Form der Elternschaft einen komplexen Prozess der Neuorientierung fordert. Die zuvor bestehende Liebesbeziehung zwischen den Eltern muss erst endgültig (auch innerlich) abgeschlossen und ihr Verlust betrauert worden sein, bevor der Weg zu einer auf Freundschaft basierenden Elternschaft möglich ist. Das „Freunde Sein“ darf von keinem der Beteiligten als minderwertiger Ersatz für eine Partnerschaft angesehen werden, sondern als echte – von beiden erwünschte – Alternative. 

5 Aspekte gelingender Co-Elternschaft 

Als Paar getrennt, als Eltern zusammen“, nennt ein Ratgeber diese Form des Familienlebens. Die Tipps darin lassen sich wie folgt zusammenfassen: 

Lernen Sie, (wieder) konstruktiv und respektvoll miteinander zu kommunizieren 

• Seien Sie klar und verbindlich, was Absprachen und finanzielle Regelungen angeht 

• Es gibt nicht den einen, „richtigen“ Weg, um diese Form des Familie-Seins zu leben. Seien Sie kreativ darin, Lösungen zu finden, die wirklich für Sie und Ihr(e) Kinder passen und nicht solche, die Ihnen konventionell „erwünscht“ erscheinen. 

• Lernen Sie sich selbst kennen und arbeiten Sie gegebenenfalls an Ihren Schwächen 

• Seien Sie stolz auf Ihre ganz eigene Art, eine Familie zu führen. Solange Sie und Ihre Kinder damit glücklich sind, ist es die beste für Sie, völlig egal, was andere denken mögen. 

Meiner Meinung nach kann dieser Weg, auch nach einer Trennung gemeinsam als Eltern „Familie“ zu sein, gerade dann regelrecht entlastend wirken, wenn die Paarbeziehung davor durch massive Erwartungen, wie eine im konventionellen Sinn „gute“ und „richtige“ Beziehung auszusehen habe, beeinflusst war. Wir können lernen, die Großzügigkeit und Gelassenheit, die wir im besten Fall unseren engsten Freunden entgegenbringen, einem Menschen gegenüber zu zeigen, mit dem wir eine noch stärkere und zudem lebenslange Verbindung haben, nämlich ein gemeinsames Kind. 

Ob Großzügigkeit, Toleranz und Gelassenheit nicht ohnehin die beste Voraussetzung auch für eine auf Liebe basierende Partnerschaft ist, sei dahingestellt. Im besten Fall bietet das Co-Parenting Eltern, die als (Liebes-) Paar gescheitert sind, die Chance, sich als „Nur-Eltern“ tatsächlich liebevoll zu begegnen. Und in einer solchen Familie aufzuwachsen wünscht man ja eigentlich jedem Kind. 

Herzlichen Gruß, Sunnybee 

PS. Was haltet ihr vom Konzept des Co-Parenting nach einer Trennung? Kennt ihr eventuell sogar jemanden, der diese besondere Form des Familienlebens praktiziert? Ich bin auf eure Kommentare gespannt!

[Foto: Pixabay]

7 Gedanken zu „Als Paar getrennt, als Eltern verbunden: Co-Parenting als alternative Familienform“

  1. Hallo Sunnybee,
    ich halte das für ein sehr gutes Konzept, für das es allerdings wirklich bewusste, reflektierte, erwachsene Menschen braucht. Wahrscheinlich ist es längst nicht für Jede*n so leicht, Erwartungen und Eifersucht oder vergangene Kränkungen ad Acta zu legen. In Form meiner Eltern habe ich da ein Beispiel vor Augen, das mich immer wieder an der Fähigkeit von Menschen zu solchen Konstrukten zweifeln lässt, auch wenn ich andererseits fest daran glaube, dass es mit genug Transparenz und Offenheit sehr gut möglich ist.
    Meine Eltern haben sich erst getrennt, als meine Schwester und ich schon aus dem Haus waren, das Problem der gemeinsamen Kindererziehung trotz Trennung gab es also so nicht. Trotzdem hatten beide von Anfang an so unterschiedliche Erwartungen, wie ihr Verhältnis nach der Trennung aussehen sollte, dass es ständig, bis heute, eine total konflikt- und vorwurfsbeladene Sache ist. Sie sagen beide, sie wollen freundschaftlich miteinander umgehen – sie sind offiziell auch immer noch verheiratet. Aber wie dieser freundschaftliche Umgang aussehen soll, darüber sind sie sich in keinster Weise einig. Insofern muss da wohl mehr geklärt sein als nur der Begriff Freundschaft, weil auch darin unglaublich unterschiedliche Erwartungen liegen können.
    Dennoch: Ich bin der festen Überzeugung, dass es möglich ist 🙂
    liebe Grüße
    Lea

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    1. Liebe Lea, herzlichen Dank für deinen Kommentar und die Perspektive quasi aus „Kindersicht“. Ja, für Frieden zwischen allen Beteiligten nach einer Trennung reicht definitiv nicht die bloße Absicht. Will man sich nicht ganz verlieren, ist das wirklich harte Arbeit – im Grunde Beziehungsarbeit unter neuen Vorzeichen.
      Andererseits gewinne ich dadurch (neu) die Zuneigung und Achtung eines Menschen, der mir einmal wichtig genug war um mit ihm ein Kind zu bekommen und nicht zuletzt lerne ich wirklich eine Menge über mich selbst. Aber du hast Recht: finde ich auch nach der Trennung auf Dauer keine gemeinsame „Sprache“ mit meinem/r Ex-Partner/in und zanke mich immer wieder um grundlegende Dinge, ist ein klarer Schnitt vermutlich der bessere Weg. Herzlichen Gruß, Sunnybee

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  2. Liebe Sunnybee, danke für diesen tollen Artikel. Ich lebe dieses Konzept mit meinem Ex-Partner und wir sind anfänglich auf viel Unverständnis gestoßen. Gemeinsame Freunde, die sich nicht sicher waren, ob man wirklich uns beide inkl. der Kinder zum Sommerfest einladen kann, eine Schwägerin, die zwar mit einem Rosenkrieg hätte leben können, aber nicht damit, dass wir uns friedlich getrennt haben und anderes mehr.

    Tatsächlich war das ein harter Weg, den wir gegangen sind. Als die Entscheidung gefallen ist, dass wir uns trennen werden, gab es Gründe, die uns dazu veranlasst haben, noch rund zwei Jahre in einer Art WG zu leben, also gemeinsame Wohnung, getrennte Schlafzimmer. Das hatte zwei Vorteile, wir mussten uns miteinander arrangieren und die Kinder konnten sich langsam daran gewöhnen, dass wir kein Paar mehr waren und Papa irgendwann ausziehen würde. Als es soweit war, haben sie die Wohnung und die Möbel mit ausgesucht und haben nun zwei Zuhause, wie unsere Kleine mal gesagt hat.

    Wir sehen uns immer noch als Familie und kommunizieren als Eltern so viel, dass unsere Kinder nie den Hauch einer Chance hatten, uns gegeneinander auszuspielen (wobei sie nie größere Versuche in diese Richtung unternommen haben). Mit meinem Ex verstehe ich mich heute besser als jemals zuvor, wir unternehmen hin und wieder sogar etwas zusammen, wobei ein Liebes-Comeback nie ein Thema war.

    Ich glaube nicht, dass unsere Co-Parenting-Beziehung den Aufbau einer Beziehung mit einem neuen Partner behindert, obwohl es sicher auch für einen neuen Partner schwierig ist, damit umzugehen. Die größere Gefahr sehe ich vielmehr anders herum, gefährdet eine neue Beziehung das Co-Parenting? Diese Erfahrung müssen wir erst noch machen 🙂

    LG
    Daggi

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    1. Liebe Daggi,
      danke für deinen langen und für mich sehr interessanten Kommentar!🙂
      Ich kenne, ehrlich gesagt, auch nicht viele ehemalige Paare, bei denen das Co-Parenting tatsächlich funktioniert. Sehr spannend daher für mich, zu hören wie euer Weg nach der Trennung als Paar bisher verlief!
      Mein Ex-Partner und ich haben übrigens definitiv inzwischen ein harmonischeres Verhältnis als während der Beziehung, aber der Weg bis hierhin war ebenfalls harte Arbeit, im Grunde Beziehungsarbeit NACH der Beziehung…😉 Ganz herzlichen Gruß – und vielleicht lesen wir ja wieder voneinander? Würde mich freuen! Sunnybee

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  3. Danke für diesen aufschlussreichen Artikel. Wir haben uns ebenfalls für dieses Modell entschieden und sind bis auf wenige Rückschläge doch sehr positiv damit bisher gefahren. Durch die gute Zusammenarbeit mit Kita und Kindergarten konnten wir 2 glückliche Scheidungskinder heranziehen.

    Ich werde mich näher dazu einlesen und auf meinem Blog ebenfalls darüber berichten. Danke für die Ideen !

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    1. Hey Samuel,
      danke für deinen Kommentar. Habe eben auch mal auf deinen Blog geschaut. „Parenting Talk aus Kerle-Sicht“, wie du das schreibst – supergern! Freut mich, dass dich mein Artikel interessiert. Sobald du selbst was dazu geschrieben hast, gib mir gern Bescheid! Und falls du dich von meinem Text inspirieren lässt, freue ich mich über nen Link als „Quellenangabe“!😉 Lg, Sarah

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