alleinerziehend, Familie, Partnerschaft

Glücklich sein – darf ich das?

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6 Monate, 2 Jahre oder 5 Jahre sind vergangen seit der Trennung – plötzlich merke ich: WOW, da ist ja noch verdammt viel Leben in mir! Lebenslust, ein Wollen, das sich nicht mehr (allein) auf Vergangenes richtet, sondern darauf, was die Gegenwart bringt, was in der nahen Zukunft geschehen mag! 

In meinem Bekanntenkreis allein- und getrennt erziehender Mütter sind gerade drei, die eine neue, ernsthafte Beziehung mit einem Mann eingehen, bzw. seit einigen Monaten eingegangen sind. Was oft mit einem „Mal sehen, was daraus wird!“ begonnen hatte, entwickelt sich zu einer Begegnung, bzw. einer Partnerschaft, mit der wieder echte Hoffnung verbunden ist. Bei einer Freundin weckt das sogar – für sie selbst überraschend – den Wunsch, mit diesem neuen Mann noch einmal ein Kind zu bekommen, eine (weitere) Familie zu gründen. 

Auch getrennt ist mein Leben nicht „vorbei“

Und jetzt? Wie gehe ich damit um, dass mein Leben – auch nach einer Trennung, die mich vielleicht tief erschüttert hat – natürlich nicht „vorbei“ ist? Wie gehe ich damit um, dass ich auskosten möchte, was es zu „bieten“ hat, nämlich eben Leichtigkeit, vielleicht Unvernunft, Übermut – oder eben die Möglichkeit einer neuen Liebe. 

Lebe ich mit dem Vater meines Kindes eine Form des Umgangs, die für mich längere Zeiten ohne mein Kind mit sich bringt (regelmäßig auch Nächte oder sogar jeweils eine ganze Woche, in der es nicht bei mir ist), bin ich noch stärker konfrontiert mit der Frage: wie lebe ich die Zeit, die ich ganz für mich habe? 

Sehne ich mich nach dem, was nicht (mehr) ist? Oder genieße ich die Freiräume, die meine kinderfreien Zeiten mir ermöglichen? Beschäftige ich mich in dieser Zeit gedanklich weiter mit meiner (vergangenen) Partnerschaft und dem Familienleben, das in der alten Form nicht mehr möglich ist – oder lebe ich ganz bewusst ein Leben, in dem ich erst einmal nur mich selbst zum Maßstab nehme: Passt das für mich? Dann lebe ich es!

Angst, das „Falsche“ zu tun

Getrennt, besonders mit noch kleinem Kind, verspüre ich all zu schnell die Verantwortung, nur keinen falschen Schritt in meinem „neuen“ Leben zu machen. Ich habe einen Mann kennen gelernt, für den ich ernsthafte Zuneigung spüre. Ich bin verliebt und will ihn ständig sehen – aber was „macht“ das mit meinem Kind, das häufig dabei ist? Was, wenn ich mich in zwei Jahren doch von diesem Mann trennen sollte? Verletze ich damit nicht auch mein Kind, nehme ihm eine Bezugsperson, zu der es gerade eine eigene Bindung aufgebaut hat? Oder: darf ich „feiern“ gehen, mich amüsieren, abends ausgehen, während mein Kind bei seinem Vater schläft? Darf ich mich so „unelterlich“ verhalten, zu einem Zeitpunkt, an dem manch nicht getrenntes Elternpaar weniger Freiräume ohne Kind zu Verfügung hat als ich durch dieses Modell? 

Mit anderen Worten: darf ich nicht nur das Beste aus meiner Situation als getrennt lebende Mutter oder getrennt lebender Vater machen, in dem Sinn, dass ich „den Mangel verwalte“, sondern, indem ich das mache, was tatsächlich das Beste für mich in diesem Moment ist? Darf ich so „egoistisch“ sein? Oder sorge ich damit einfach gut für mich – und letztlich auch für mein Kind?

Begegnung mit dem Leben

Ich habe selbst so eine Situation vor kurzem erlebt. Am frühen Abend – mein Sohn war bei seinem Vater – habe ich eine Veranstaltung (tatsächlich einen Info-Abend für Alleinerziehende) besucht. Beim Verlassen des Gebäudes danach war es schon dunkel. Da das Ganze in einem sehr quirligen, belebten Stadtteil stattfand, fand ich mich auf dem Heimweg zwischen partyfreudigen Studenten und entspannt vor Kiosks sitzenden Mit-Dreißigern wieder. Auf einmal war alles möglich: einen Freund anrufen und mit ihm auf ein Bier in die Kneipe nebenan? Tanzen gehen, vielleicht sogar allein, mich einfach treiben lassen und sehen, was der Abend noch bringen würde? Die Luft war lau, ich spürte Erwartung und Fröhlichkeit – und fuhr letztlich einfach nach Hause, beschwingt, obwohl ich meine Freiheit gar nicht großartig „genutzt“ hatte. Vielleicht einfach, weil ich sie erkannt hatte: ein Abschied von etwas eröffnet wirklich auch neue Möglichkeiten. Das ist manchmal überwältigend, fühlt sich zuweilen gar bedrohlich an – aber manchmal auch einfach nur wirklich GUT. 

Getrennt und damit glücklich sein? Geht – und immer wieder auch richtig gut!

Herzlichen Gruß, Sunnybee 

6 Gedanken zu „Glücklich sein – darf ich das?“

  1. Haha. Gedankenübertragung. Darüber habe ich heute nachgedacht – naja, eher Nachdenken müssen. Zuviele blöde Zweifel. Und ich kam zur gleichen Antwort wie Du: „Ich erlaube mir heute eine bisschen fröhlich zu sein. Einfach so!“ Und es hat geklappt. Weiter so!

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    1. Lieber Tilman, das freut mich sehr für dich! Und ich freue mich, dass mein Artikel offensichtlich ein kleines bisschen dazu beitragen konnte 🙂 Danke für’s Mitlesen und alles Gute dir! Lieben Gruß, Sunnybee

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  2. Das Gefühl schon allein den Kontakt mit der Freiheit zu genießen und dadurch beschwingt zu werden kenne ich sehr gut! An diesen nochmal lauen Abenden alleine durch „meine“ Stadt zu radeln und das quirlige Leben zu spüren reicht mir oft auch schon. Für mich sind diese regelmäßigen Abende und auch Tage „in Freiheit“ (2 in 14 Tagen), die die Getrennterziehendensituation mit sich bringt, auch ein großes Geschenk. Sie mit Leben zu füllen bereitet mir viel Freude und ich bin dankbar, das in dieser fordernden Kleinkindzeit erleben zu dürfen. Dadurch bekommt dieser andere Teil von mir, der nicht-nur-Mama-Teil, regelmäßig Raum.
    Außerdem fühle ich mich sehr verbunden und vernetzt mit den Menschen in meiner Umgebung, Familie, Freunden, Nachbarn und es entstehen tiefe neue Freundschaften. Ich denke, dass das bei mir anders laufen würde, wenn ich jetzt in einer klassischen Vater-Mutter-Kind-Kleinfamilie leben würde. Dafür bin ich auch dankbar!
    Tja und dann „Dating“ und Verlieben. Eigentlich ist dafür gar kein Raum in diesem enggetakteten Leben, wo die Kraft immer auf Anschlag läuft… und wenn es doch passiert, unerwartet und wunderschön, ist es ganz anders als alles was man da bis jetzt kannte, muss man eine neue eigene Form finden, denn mit Kind, als Mutter/Vater ist das einfach anders. Ja, es kommen schnell die Gedanken, „darf ich das?“, was erlebt mein Kind dabei, auch wenn ich es (noch) nicht offen vor dem Kind lebe oder drüber spreche. Kann ich mir/meinen Gefühlen und denen des Anderen soweit trauen, dass ich das mir und meinem Kind „zumuten“ kann? Wie ändert sich der Kontakt zu meinem Kind durch den egozentrischen Zustand des Verliebtseins? Wann und inwieweit beziehe ich das Kind ein und lebe die neue Liebe offen vor dem Kind? Was lebe ich meinem Kind vor in Bezug auf Liebe und Partnerschaft? Und natürlich immer die Angst, was passiert, wenn die neue Liebe keinen Bestand hat und ich dem Kind eine erneute Trennung zumute bzw. eine Mutter/einen Vater, die/der Trennungsschmerz und Verletztsein erlebt.
    Da kann man sich wohl endlos im Kreise drehen und letztendlich bei der Frage landen, die Du formuliert hast: darf ich diesem Drang nach Leben folgen?
    Ich habe da keine abschließenden Antworten aber entscheide mich, das Leben inklusive dieser Fragen und Unsicherheiten anzunehmen und zu spüren.

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    1. Liebe Feynsinnige, ganz herzlichen Dank für deinen Kommentar, der, wie ich finde, sehr sensibel und differenziert den von mir verfassten Text veranschaulicht und ergänzt! Merke gerade, dass ich mich sehr freue, dass du dich wieder in meinem Blog zu Wort meldest! 🙂 Herzlichen Gruß und bis bald im „echten Leben“! Sunnybee

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  3. Sehr schöner Text. Vor allem die Passage: „In meiner neuen kinderlosen freien Zeit lebe ich ganz bewusst ein Leben, in dem ich erst einmal nur mich selbst zum Maßstab nehme. Passt das für mich? Dann lebe ich es!“
    Nur wenn es dir gut geht, kannst du auch gut für dein Kind sorgen.
    Ich wünsche dir noch viele weitere laue, schöne Herbstabende in nächster Zeit in unserer Stadt.

    Viele iebe Grüße,
    Christina

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